Ich rolle aus. Die letzten Tage waren gezeichnet von Schlaflosigkeit, einem selbstverschuldeten Stressrei, von Aufputschmitteln wie Kaffee und Bier. Ich lebte hinter heruntergezogenen Jalousien, draußen war es frühlingshaft bis frühsommerlich warm, vermutlich. Jetzt... bin ich nicht müde, als könnte ich es jetzt nicht mehr sein. Als wenn ich einen latenten Punkt überschritten habe, ab dem man sich nur noch leer fühlt, zu weggetreten selbst zum Schlafen. Meine Augen sind offen doch ich sehe nichts. Wenn ich erstmal schlafen würde, ich täte es vermutlich tagelang.
Ich rolle wieder an. Die letzten Wochen habe ich das Beste aus der Situation rausgeholt, denke ich. Ich war bei den Bielefelder Nachtansichten. Ein auf die Stadt verteiltes Kunstfestival. Habe da sogar jemand Bekanntes getroffen. Und als ich dann genügend Braumeister Pilsener (den Namen sollte man an dieser Stelle bitte würdigen) intus hatte, durften sich noch meine verkalkten Glieder ungelenk bis spastisch zu unvernünftiger Musik bewegen. Und kickern durfte ich auch noch, habe aber kein allzu gutes Bild dort abgeben. Whatever.
Zum ersten Mal ausgezahlt hat sich indes auch mein Arbeitgeber. Man kann sich bei dem ja, wenn man nicht gerade arbeitet, auf Gästelisten stecken lassen, zu welchem Event auch immer. Nun, da bis zur letzten Woche gelinde gesagt nur Schrott im RLS anzutreffen war, habe ich von der Option bisher keinen Gebrauch gemacht. Dann kam Sven Regener des Weges. Nun gut, den habe ich nicht das erste Mal gesehen und gehört schonmal gar nicht. Macht ihn aber nicht weniger sehens- und hörenswert, vielleicht sogar ganz im Gegenteil. Er las aus „Meine Jahre mit Hamburg-Heiner. Logbücher“, was quasi die Blogaktivitäten des Herren unter einem Dach versammelt. Das Prinzip dahinter ist ein altbekanntes, durch Offenlegen der Lächerlichkeit, hier jetzt des Bloggens, in anderen Werken des pseudokünstlerischen oder –intellektuellen Habitus, wird das menschliche Gehabe kritisiert. Das Publikum bestand, wie ich hier jetzt schon bei mehreren Kulturevents feststellen musste, größtenteils aus der mittleren Mittel-Mittelschicht, manche nennen es auch Kleinbürgertum, was wohl der früheren alleinigen Bekanntheit Regeners durch die Band Element of Crime geschuldet ist. Außerdem betrug der Preis einer Karte im freien Verkauf mit rund 20€, nicht gerade ein Schnäppchen, weswegen wohl die gesellschaftliche Kaste jüngerer Mitmenschen, zu der ich mich zähle, so unterrepräsentiert war. Diese Argumente führe ich ins Feld, um nicht ein weiteres Mal dem Bielefelder, vielleicht fälschlicherweise, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, auf jeden Fall aber unzureichend begründet, das Prädikat eines „Provinzlers“ aufdrücken zu müssen. Und selbst wenn er es wäre, träfe ihn keinerlei Schuld, denn, wie ich heute lernen durfte: „Gesellschaft ist ein menschliches Produkt. Gesellschaft ist eine objektive Wirklichkeit. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Produkt.“ Zudem in gewisser Hinsicht ganz Deutschland eine Provinz darstellt, oder?
Hat er sich vorhin eigentlich wirklich als Mitarbeiter im RLS geoutet? Ja, in der Tat. Wenn ihr mich also irgendwann mal trefft und ich habe permanentes Ohrenbluten, wisst ihr zumindest, wovon das kommt.
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